Digitalisierung

Schweizer Zollbehörde im digitalen Vorsprung? Das Transformationsprogramm DaziT

Aktualisiert: 10.10.2024 Publiziert: 18.10.2021

Eine Frau, die einen Container für das Zollverfahren prüft.

Was können wir von unseren Nachbarn in Sachen Digitalisierung lernen?

 

Die Schweiz ist in Zollangelegenheiten schon manchmal einen Schritt voraus. Unter anderem gibt es bereits die APP „Quick Zoll“, mit der Privatpersonen selbst verzollen können und das Transformationsprogramm DaziT. Gehört haben wir davon beim IHK-Zollforum Digitalisierung, der IHK Mittlerer Niederrhein, am 19.08.2021.

DaziT» steht für «Dazi», das rätoromanische Wort für Zoll, und für «Transformation». Das Programm wurde am 1. Januar 2018 offiziell lanciert und dauert bis Ende 2026.

Die Transformation der EZV zum BAZG baut auf zwei Pfeilern auf:

  • Vereinfachung und Digitalisierung der Prozesse
  • Organisatorische Weiterentwicklung

In einem Austausch zwischen Hr. Prof. Dr. Uwe Böhm, der IHK Hochrhein- Bodensee, und unserer Kollegin Anastasia Michi, zuständig für Digitalisierungsprojekte, zeigen Sie die wesentlichen Punkte aus DaziT und was wir davon mitnehmen können.

Was steckt hinter DaziT und wie nähert sich die Schweiz einer solch großen Transformation?

 

Wie kann Digitalisierung im Zollbereich aussehen und wirklich gelingen, mit so vielen beteiligten Akteuren? Die elektronische Zollanmeldung ist das eine, aber es braucht mehr. So viele Dokumente im Transport – und Zollwesen begleiten die Ware aktuell noch physisch, was zu langen und ineffizienten Abläufen führt.

Unsere Nachbarn im Süden, die Schweiz, haben deshalb bereits konkrete Pläne sämtliche Prozesse im Transport- und Zollwesen zu digitalisieren, welche zum Teil schon in der Testphase oder sogar im Livebetrieb genutzt werden. DaziT ist ein ganzer Maßnahmenkatalog, den die Schweizer Zollverwaltung umsetzt mit dem Schwerpunkt, sämtliche Prozesse zu vereinfachen und zu digitalisieren.

Es geht nicht nur um die Digitalisierung, sondern auch um eine neue Konzeption und Struktur der Prozesse, wie Prof. Dr. Uwe Böhm der IHK Hochrhein- Bodensee berichtete. Der erste Ansatz des Maßnahmenkatalogs führt auf, dass es eine komplett neue Ausbildung geben wird, die zusammenbringt, was bisher getrennt war.

Dies beinhaltet die Schweizer Grenzwachtkorps, vergleichbar mit der deutschen Bundespolizei, den Zoll, welcher sich um den Warenverkehr kümmert, und Aufgaben der Bundespolizei, welche die Fahrzeuge überwacht. Die neuen Mitarbeiter werden in allen drei Bereichen ausgebildet, mit einer späteren Spezialisierung. Das hat den Vorteil, dass ein Mitarbeiter an der Grenze den LKW nicht nur nach der Ware oder nach der Person, sondern nach allen drei Kriterien kontrollieren kann. Das ist jetzt erst mal nicht wirklich digital, aber tatsächlich hängt auch aus unserer Sicht Digitalisierung immer mit Organisationsentwicklung zusammen. Schaut Euch dazu auch den Beitrag „Digital Mindset“ an.

 

Organisatorische Veränderungen sind also auch für Digitalisierung der Schweizer Behörden wichtig

 

Ziel der Schweizer Zollverwaltung ist, dass LKW-Kontrollen weg von der Grenze, hin ins Hinterland verlegt werden, um somit die regelmäßigen Staus beim Übertritt abzubauen. Somit müsste an den Grenzübergängen, bis auf wenige Ausnahmen die kontrollnotwendig sind, keiner mehr stehen. Dies bedeutet, dass Kontrollen – wie z.B. zugelassener Empfänger – im Zweifelsfall direkt auf dem Hof im Inland stattfinden. Daher sollen Prozesse eingeführt werden, die den ganzen Warenverkehr digitalisieren und nicht mehr alle Papiere in die Hand genommen werden müssen. Dies stellt den zweiten Ansatz des DaziT Maßnahmenkatalogs dar.

Bereits jetzt gibt es so genannte Transit Kabinen mit einer separaten Fahrspur, was bedeutet, wenn die Papiere bereits im Vorfeld angemeldet sind, muss nur noch der MRN-Code gelesen und der Laufzettel auf deutscher und Schweizer Seite gestempelt werden. Das kann direkt aus dem LKW geschehen, ohne dass der Fahrer aussteigt.

Bei der normalen Verzollung muss der LKW auf den Zollhof gefahren werden, der Fahrer muss in das Zoll Büro laufen und dort die Unterlagen holen. Anschließend zum deutschen Zollschalter, dann zum Schweizer Zollschalter und im nächsten Schritt die Abgaben entrichten. Selbst bei einer reibungslosen Anmeldung sind die Fahrer damit knapp eine halbe Stunde beschäftigt. In dieser Zeit steht die Ware rum und es bilden sich Staus. Das muss nun im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr sein, oder?

Bei elektronischer Anmeldung und Verwendung der neuen App würde man diesen ganzen Prozess umgehen und es gäbe nur noch eine Quote von ca. 3% der LKWs, welche noch geprüft werden müssen. Diese würden dann in der App ein rotes Licht erhalten mit dem Signal zur Kontrolle. Bei allen anderen Fahrern erscheint ein grünes Licht mit dem Hinweis zur Weiterfahrt.

Apps welche bereits verwendet werden oder schon über die Pilotphase hinaus sind:

  • Geofancing – läuft bei allen Apps im Hintergrund. Dies ist das zentrale Element der Schweizer. Der Fahrer macht das Transitpapier fertig, der MRN Barcode wird am Handy eingescannt und dann vorab an die Zollstelle übermittelt. Daraufhin erhält der Fahrer das OK der Zollstelle. Kommt der Fahrer am Grenzübergang in die Tracking Zone – an allen Grenzübergängen eingerichtet –wird erfasst, welcher LKW mit welcher Ware es ist. Anschließend geht es in die Activation Zone. Dort wird geprüft, ob alle Papiere da sind, oder ob es sich um kritische Ware handelt, welche doch geprüft werden muss. In der letzten Zone, der Confirmation Zone, wird der Vorgang abgeschlossen.
  • Active- Für Transitpapiere T1 & T2, welche die Schweiz bereits elektronisch abwickeln kann.
  • Passar – App als neues Warenverkehrssystem wird voraussichtlich 2023 eingeführt und ersetzt damit e-dec und NCTS – vergleichbar mit dem deutschen ATLAS.
  • Periodic – nur für Massenwahre (u.a. Kies, Sand, Stroh, Heu, Beton). Diese sind ein Sonderfall und nur mit Genehmigung möglich.
  • Cross-border Ticket – Laufzettel. Selbst bei der Hochkabine im Transit Bereich muss man anhalten und den Zettel abgeben. Dort wird dann vermerkt, ob es sich um kritische oder unkritische Ware handelt. Dieser Zettel muss gestempelt werden. Erst dann kann der Fahrer durchfahren oder muss ggf. zur Kontrolle.

Um ein gut funktionierendes Cross-border Ticket nutzen zu können, ist die Schweiz auf die Teilnahme der angrenzenden Länder angewiesen. Das Problem ist, dass die europäische Seite hinsichtlich der Digitalisierung noch nicht so weit vorangeschritten ist wie die Schweiz.

 

Inwiefern sind die anderen Länder an die Schweizer Transformation angeschlossen?

 

Die Schweizer Kollegen sind optimistisch und versuchen alle Länder um die Schweiz herum einzubinden. Die EU-Kommission hat auch bereits großes Interesse gezeigt sich daran zu beteiligen. Die erste Hürde ist jedoch, dass man sich auf gemeinsame Schnittstellen einigen müsste. Auch ein gutes Beispiel ist der Brexit, da auch hier viele Prozesse manuell ablaufen und bei einer gemeinsamen digitalen Lösung könnte man diese auf andere Länder ausweiten. Aber bis Deutschland, bzw. die EU so weit ist, wird es noch dauern. Schätzungen ergeben, dass wir ab 2024 anfangen können an einem Borderticket zu arbeiten. Ein Grund für diesen späten Beginn stellt unter anderem das Problem der unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen zwischen den europäischen Ländern dar. Für eine digitale Zollabwicklung muss die Europäische Kommission noch den rechtlichen Rahmen bereitstellen. Viele Anforderungen ergeben, dass im Endeffekt doch noch alles in Papierform gemacht werden muss. Außerdem ist die Deutsche Zollverwaltung momentan sehr stark mit den One-Stop-Shops beschäftig, wo viele Kapazitäten hinfließen. Und solange die EU nicht mit macht, spart sich der LKW- Fahrer lediglich den Gang zum Schweizer Zoll, muss aber immer noch zum deutschen Zoll laufen.

 

Weitere, zukünftige Projekte in der Schweiz

 

Weitere Überlegungen im Zollbereich sind, dass Waren aufgeladen werden und dabei schon erkannt wird, welche Waren sich auf dem LKW befinden. Dadurch soll es möglich sein, diese direkt zu verzollen. Der Zoll kann somit auch erkennen, ob sich noch weitere nicht registrierte Dinge auf dem LKW befinden.

E-Portal: dort werden alle Unterlagen zentral abgelegt und sind von jedem Spediteur einsehbar. Die gesamte Kommunikation läuft darüber ab und man muss nicht ständig beim Zoll anrufen. Auch Datenänderungen können dort direkt eingespielt werden, ohne dass neue Dokumente ausgestellt werden müssen. Damit soll der Papierfluss verringert und eine Historie bereitgestellt werden. Zusätzlich vereinfacht ein Abgreifen der Daten, dass alle wichtigen Begleitdokumente, wie z.B. das EUR1 Zertifikat vorhanden sind.

Chatbots: Die Schweiz hat bereits jetzt eine sehr gute Servicehotline im Zollbereich. Aber viele Fragen können durch einen Chatbot effizienter gelöst werden ohne das Zutun eines weiteren Mitarbeiters.

Risikoanalyse mit KI: Dadurch kann alles automatisch und gut systematisiert werden und man ist nicht auf die Erfahrungen der Zöllner angewiesen. Dies führt zum Ergebnis, dass Kontrollen gezielter ablaufen. Die Risikoanalyse zeigt auf, wo die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass Verstöße stattfinden und wo es sich lohnt zu kontrollieren, oder wo es weniger Sinn macht, weil die Firma zuverlässig und die Ware unproblematisch ist.

Herr Prof. Dr. Böhm: Professor an der HTWG in Konstanz für international Management und zuständiger Geschäftsführer für den internationalen Bereich der IHK Hochrhein-Bodensee. Allein durch die geographische Lage ist die IHK spezialisiert für alles rund um „Zollstand Schweiz“. Dabei wird versucht die Interessen von deutschen und Schweizer Unternehmen zusammenzubringen.

Fazit: Es gibt viele gute Ideen. Regulierung ist gut aber wir dürfen uns dadurch nicht selbst im Weg stehen auch neue Digitale Wege zu beschreiten. Die Schweizer Kollegen werden wir auf jeden Fall im Auge behalten und über weitere Entwicklungen berichten.

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