Beide Brexit-Ergebnisse haben unterschiedliche Folgen für den Zoll
Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu – und damit auch die Übergangsphase, die mit der Austrittserklärung des Vereinigten Königreichs aus der EU begann. Dann wird UK aus Zollsicht zum Drittland, und das bedeutet einige Neuregelungen für Import und Export – zum Beispiel fällt dann für Großbritannien der Präferenzursprung weg! Die größte Frage momentan lautet aber: Deal or No Deal? Für den Zoll haben beide Brexit-Ergebnisse unterschiedliche Folgen:
- Geregelter Austritt: Bislang ist die EU größter Handelspartner des Vereinigten Königreichs, und weiterhin bestehende Handelsabkommen würden den Brexit und Zollabwicklungen deshalb um einiges erleichtern. Wie genau die neuen Regelungen aussehen werden, wird aktuell noch verhandelt. Und wie du in den Nachrichten sicher mitbekommen hast, zieht sich das ordentlich hin. Gibt es hier bis Ende 2020 jedoch nicht endlich ein klares Ergebnis, führt das unweigerlich zum ungeregelten, „harten“ Brexit.
- Ungeregelter Austritt: Ohne Einigung ab 01.01.2021 verfällt der Warenverkehr mit dem Vereinigten Königreich natürlich nicht ins absolute Brexit-Zoll-Chaos. In diesem Fall gelten nämlich einfach die Mindeststandards der Welthandelsorganisation (WTO). Dennoch erhöhen sich nun die Zollformalitäten, und der freie Warenverkehr ist Geschichte – denn mit dem Austritt verliert das VK die Mitgliedschaft in der Europäischen Zollunion und dem EU-Binnenmarkt. Experten warnen schon jetzt vor überfordertem Personal und tagelangen Staus in den Haupt-Umschlagplätzen Dover und Liverpool.
Zumindest im Hinblick auf den Import ins Vereinigte Königreich will die Regierung jedoch mit vereinfachten Zollbestimmungen nachhelfen.
Update Dezember 2020: In beinahe letzter Sekunde hat das britische Parlament nun doch einen provisorischen Deal verabschiedet. Großbritannien kann unabhängig von EU-Zolltarifen neue Verträge mit Drittländern schließen. Darüber hinaus soll der Warenverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zwar zollfrei bleiben – doch um britische Produkte aufs Festland zu liefern, werden eine Menge Papiere benötigt. Ob der neue Pakt in dieser Form bestehen bleibt, ist immer noch nicht gewiss.
Das dreistufige Core Model erleichtert zumindest den Import
Mit einem Drei-Stufen-Plan, dem sogenannten Core Model, will die britische Regierung am 01.01.2021, 01.04.2021 und 01.07.2021 nach dem Brexit schrittweise neue Zollbestimmungen für den Import im Vereinigten Königreich einführen.
Der Plan gilt jedoch nicht grundsätzlich für alle Waren. Für den Import bestimmter, mit Risiken verbundener Güter musst du schon ab Januar Vorabanmeldungen bzw. Gesundheitszeugnisse vorlegen. Dennoch kannst du dir jetzt schon entsprechende Bewilligungen für die vereinfachte Anmeldung ausstellen lassen. Näheres dazu erfährst du in unserem Brexit-Leitfaden, den du dir direkt unter diesem Beitrag herunterladen kannst.
Streitpunkt Nordirland: Der Brexit bedeutet nicht nur für den Zoll Schwierigkeiten
Tritt das Vereinigte Königreich aus der EU aus, vertieft das die Spannungen zwischen Nordirland und der Republik Irland wieder. Denn da auch Nordirland dem Brexit folgen würde, würde das zu einer EU-Außengrenze mitten durch Irland führen – mit zollrechtlichen Konsequenzen für alle Unternehmen, die bisher auf beiden Seiten der Grenze produzierten. Um das zu vermeiden, die Wirtschaft zu schützen und auch das Karfreitagsabkommen nicht anzukratzen, wurde ein Protokoll zu Nordirland und der Republik Irland vorgelegt. Für alle Waren, die du nach oder aus Nordirland liefern möchtest, gilt damit auch nach dem Brexit der Zollkodex der Union – mitsamt aller gewohnten Mehrwertsteuer- und Verbrauchersteuervorschriften.
Das umstrittene Binnenmarktgesetz des britischen Premierministers Boris Johnson könnte dieses Abkommen und die einhergehenden Sonderregeln aber wieder aushebeln. Vor kurzem hatte das House of Lords zwar noch gegen das Binnenmarktgesetz gestimmt, doch das Tauziehen geht weiter. Hier gilt also auch wie bei allen Fragen bezüglich Brexit und Zoll: Augen offen halten und regelmäßig informieren!
Wie du dich auf die neuen Zollregelungen nach dem Brexit vorbereiten kannst
Nach Ablauf des Übergangszeitraums (31.12.2020) gelten die EU-Vorschriften im Bereich Verbote und Beschränkungen je nach Verhandlungsergebnis nicht mehr für das Vereinigte Königreich. Das bedeutet: Es könnten neue, anders gestaltete Verbote und Beschränkungen in Kraft treten, die du im Blick behalten solltest.
Allgemein empfiehlt die britische Regierung für einen leichteren Start:
- Beantrage vorab schon eine britische EORI-Nummer, ein Aufschubkonto sowie die nötigen Bewilligungen für die vereinfachte Anmeldung
- Suche dir einen Zolldienstleister, der die zahlreichen Änderungen und Neuregelungen im Kopf hat und dich beim Übergang unterstützt.
Auf der Webseite der britischen Regierung findest du außerdem einen Fragebogen, der dir aufzeigt, welche Schritte du jetzt konkret einleiten solltest. Und wenn du es ganz kompakt haben willst: In diesem Beitrag findest du eine Übersicht mit den wichtigsten Tipps und Links zum Brexit. Einfach herunterladen!
Was sich 2021 sonst noch ändert
Neben dem Brexit kommen 2021 noch einige weitere Änderungen im Zoll auf dich zu:
- Die Mehrwertsteuerbefreiung für Waren mit Wert unter 22 € fällt weg. Damit musst du nun auch diese Waren an der Grenze elektronisch anmelden; eine mündliche Zollanmeldung reicht nicht mehr aus.
- Das Warenverzeichnis für die Außenhandelsstatistik ändert sich – und damit kommen auch wieder neue Warennummern ins Spiel.
- Die Kombinierte Nomenklatur wird modernisiert und angepasst. Du solltest auch diese Änderungen kennen und wissen, was das für den Gemeinsamen Zolltarif bedeutet.
- Besonders mit Blick auf Großbritannien und Nordirland gibt es ab 2021 außerdem diverse Änderungen im Länderverzeichnis.
- Und last but not least starten 2021 einige neue Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien, EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern. Eine Übersicht zu den aktuellen Entwicklungen findest du auf der Webseite des UK-Governments.
Fazit: Bereite dich gut auf den Brexit und dessen Folgen für den Zoll vor!
Wir sind uns sicher einig, dass das ganze Thema Brexit recht kompliziert ist. Es bleibt jedoch nur eines übrig: Schau immer mal wieder nach, was sich Neues ergeben hat, prüfe deine Handelsbeziehungen und Lieferketten in Großbritannien und befolge die oben erwähnten Ratschläge und Leitfäden der britischen Regierung, um dich optimal vorzubereiten. Falls du noch Fragen zum Brexit oder zu allgemeinen Zollthemen hast, kannst du dich gerne bei uns melden!